Uns wird allerlei Mist über Liebe erzählt. Dinge werden verklärt, die eher schlecht sind für eine Beziehung.
Wir glauben den Märchen, auch den modernen Märchen. Bei 50 Shades of Grey hat sich die Autorin (E.L. James) ein ziemlich toxisches Szenario einfallen lassen. Es geht um einen sadistischen
(natürlich sehr reichen) CEO (Christian) und ein junges, unschuldiges Mädchen, das gerade zur Frau wird (Anastacia, meist Ana). Als hätten wir es mit den Märchen der Gebrüder Grimm zu tun, in
denen der starke Retter auf dem weißen Pferd angaloppiert kommt. Sie ist natürlich Jungfrau, naiv und eine Seele von Mensch. Aufgebrochen, um sich vom Prinzen retten zu lassen, damit sie ihn
wiederum retten kann. Alte Geschichten, neue Bilder. Und es ist in meiner Welt auch eher langweilig geschrieben und mit wenig literarischer Raffinesse. Geschmackssache. Dennoch gibt und gab es
ganze Heerscharen von Anhängerinnen. Warum? Der Protagonist scheint in seiner männlichen Polarität zu sein. (Dazu schreibe ich mal einen extra Artikel.) Doch eben nur scheinbar. Er scheint zu
wissen, was er will und das wissen gerade ziemlich viele Männer nicht. Sie sind durch Erziehung und Gesellschaft sehr verunsichert. Auch Frauen wissen eher über männliche als weibliche Polarität
Bescheid. Im Grunde zeigt Christian viele psychologisch auffällige Verhaltensweisen. Man könnte auch sagen, dass er einfach ein Arsch ist. Ich habe mal ein wenig gesammelt, was mir so ein- und
aufgefallen ist.
Er hat sie gestalkt. Er wusste, wo sie wohnt und arbeitet. Und sie musste es ihm nicht erzählen, er hat das alles selbst herausgefunden. Wenn jemand einfach so an Deinem Arbeitsplatz auftaucht, dann ist das kein Spaß. Stalking ist kein gutes Zeichen, es ist eine riesengroße rote Flagge, dass da etwas nicht stimmt.
Er hat sie betrunken in sein Zuhause gebracht – sie war so betrunken, dass sie weder ja noch nein sagen
konnte. Das ist schon ziemlich übergriffig. Er hat sie ja nur „ausgezogen“ und neben ihr geschlafen, weil er ja „keine andere Wahl“ hatte. Tja. Wenn er sie in ein weniger hübsches Appartment
gebracht hätte, dann würde das schon sofort anders ankommen, oder?
Er hat das, was sie isst, kontrolliert. So sollte sie keine Snacks zwischen den Mahlzeiten essen außer Früchten. Na, das wird sogar immer besser: er würde ihr Gewalt antun, wenn sie nichts isst. Kontrolle ist ein großes Motiv der Romanfigur – er möchte, dass sie sich unterwirft. Diese Dominanz und Kontrolle ist kein Zeichen einer funktionierenden Beziehung, in der es um Augenhöhe und gegenseitige Wertschätzung geht.
Christian hat Ana isoliert. Das ist ein höchst gefährliches Verhalten. Jeder, der das mal erlebt hat, dass der Partner austickt, wenn man mit anderen Menschen Kontakt hat, kennt das als Teil des missbräuchlichen Kreislaufs. Christian hat Ana dazu gebracht, einen Vertrag zu unterschreiben, in dem sie zur Verschwiegenheit gegenüber ihren Angehörigen verpflichtet ist über das, was in ihrer Beziehung so vor sich geht. Das ist ein ganz typisches Verhalten von Menschen, die andere missbrauchen. Das ist weder süß noch irgendwie romantisch oder so, das ist einfach Mist. Das engt ein. Du hast immer das Recht, mit Deinen Lieben über Deine Beziehung zu sprechen! Wir sehen die beiden auch kaum mit anderen Menschen, sie bleiben unter sich – ein wichtiger Punkt in toxischen Beziehungen. Da will jemand keine Götter neben sich haben.
Er sagt ihr andauernd, dass sie die Seine ist, das ist sehr, sehr gefährlich. Er ist besitzergreifend und übergriffig. Das ist wiederum eine Form der Kontrolle. Liebe bedeutet Freiheit. Du gehörst niemandem und Du hast das Recht, zu gehen oder zu bleiben.
Er will, dass sie sich daran erinnert, dass er da war, durch harten Sex und das, was dabei mit ihrem Körper passiert. Er verletzt sie.
Eifersucht ist nicht besonders anziehend – und toxische Eifersucht schon gar nicht. Auf Anrufe von anderen hat er eifersüchtig reagiert. Alle Fotos einer Feier mit ihr hat er gekauft, weil sie außer ihm keiner sehen soll. Das ist schon sehr daneben, oder?
Sie durfte sich nicht so sonnen, wie sie wollte. Ist das gut, wenn ein anderer über Deinen Körper bestimmt?
Er hat auf ihre Schwangerschaft wütend reagiert. Wütend! Das macht keinen Sinn, sie sind verheiratet und haben oft Sex. Dennoch: er flippt aus, schlägt mit der Faust auf den Tisch und schreit sie an.
Er droht mit körperlicher Gewalt. Er möchte sie wie ein kleines Kind über das Knie legen. Das ist manipulativ und kontrollierend – und er macht das schon, bevor sie den Vertrag unterschreibt, um seine Sub (die ihm Untergeordnete, er ist der dominante, sie der unterworfene Part) zu sein.
Christian schüchtert Ana ein. Er macht sie klein. Schon wieder keine Augenhöhe.
Er drängt sie zu so vielen Dingen. Das ist nicht sexy! Das ist übergriffig und demütigend. Hier gibt es so
viele rote Flaggen. Ob Kinder und Jugendliche, die diesen Film sehen, das für normal halten? Viele Jugendliche, junge und ältere Frauen und Männer sind in allem, was mit Beziehungen zu tun hat,
gerade sehr verunsichert. Die häufigste sexuelle Störung der Gegenwart ist die Asexualität, also keinen Sex zu haben.
Viele Punkte sprechen dafür, dass Christian Grey ein Narzisst (ab der ICD 11, das ist eine internationale
Liste mit allen Krankheiten, jemand mit unter anderem antisozialen Anteilen) ist. Er will ihre komplette Aufmerksamkeit, das ist die wichtigste Aufgabe einer Partnerin (oder eines Partners) von
einem Narzissten oder jemandem mit narzisstischen Tendenzen. Er möchte Dich nicht kennenlernen, er möchte, dass Du Dich mit ihm und nur ihm beschäftigst. Und dass Du gut zu den Ledersitzen seines
Autos passt. Alle Menschen um ihn herum dienen nur dazu, seine Performance zu unterstützen. Er interessiert sich nicht für ihre Wünsche und Bedürfnisse. Ana darf ihn nicht anfassen. Als sie mit
ihm sprechen will, sagt er, sie solle ihn im Spielzimmer (Playroom) treffen. Also das mit der Nähe klappt da nicht. Wer keine Nähe zulassen kann, der ist nicht bindungsfähig. Wer nicht
reflektiert, auch nicht.
Das mit der Nähe zeigt sich in vielen Bereichen: nebeneinander schlafen, zusammen ausgehen und Gefühle teilen. Das alles kann er nicht.
Diese Bücher und Filme sind nicht romantisch. Sie verklären eine miese, sogar in einigen Punkten toxische
Beziehung. Christian zeigt viele Anzeichen für missbräuchliches Verhalten in einer Partnerschaft. Eine missbräuchliche Beziehung in schönen Bildern und voller Reichtum ist immer noch eine
toxische Beziehung. Da ist nichts romantisch – und kein kleines Mädchen und kein kleiner Junge sollte das für Liebe halten. Ebensowenig das kleine Mädchen oder der kleine Junge in
Dir.
Ana hört von Anfang an nicht auf ihre Intuition, sie fühlt sich in seiner Gegenwart nicht wohl. Höre auf Deine
innere Stimme, wenn sie Dir sagt, dass jemand nicht gut für Dich sein könnte. Er wird sich nicht ändern, so ist er nun einmal. Seine Mutter sagt im Roman, dass Ana ihn ändern könnte, doch das
stimmt nicht. Der Narzisst bewundert, was er ist. Er liebt sich nicht – aber er möchte, bitteschön, von allen bewundert werden. Aufmerksamkeit um jeden Preis, auch wenn sie negativ ist.
Hauptsache, es geht um ihn.
Das ist jemand, der gefährlich ist. Und diese Schmonzetten sind es auch. Kinder und Jugendliche werden diesen Film sehen und ihn für normal halten. Heute haben Kinder schon Pornos gesehen, bevor sie das erste Mal Händchen halten. Ein Mensch mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung, der findet Dich irgendwann zu alt, zu dick, zu dünn, zu blond. Vielleicht passt eine andere Dame eher zu den Ledersitzen. Mit so jemandem ist keine gute Beziehung möglich.
Nur mal so angenommen, wie es weitergehen könnte, wenn ich das, was über toxische Beziehungen bekannt ist,
hier mal so weiter spinne. Ana ist ungewollt schwanger geworden (im Buch hat sie einfach die Pille abgesetzt, auch keine tolle und besonders gesunde Idee):
Ana hat Angst, um sich und ihr Kind. Christian freut sich nicht über das Kind, er ist eifersüchtig. Er möchte keine Verantwortung übernehmen und fühlt sich von ihr dazu gedrängt. Ihr Körper sei nicht mehr so schön und er fände es total abartig, dass sie stillt. Mit so einer dicken Kuh könne er nichts anfangen. Ana bereitet sich darauf vor, gemeinsam mit dem Kind das Land zu verlassen. Sie weiß, dass er keine Beziehung führen kann. Und auch, dass er keine Trennung zulassen wird. Er möchte, dass sie die Naive mimt, die nichts mitkriegt von all den Affären und Sklavinnen, die er sich regelmäßig kauft. Er kann es nicht ertragen, dass sie das Kleine liebt....
Diese Geschichte wurde mir so oder so abgewandelt schon oft erzählt. Eine miese Beziehung ist eine miese Beziehung. Eine toxische Beziehung ist eine toxische Beziehung. Nichts, wovon man nachts träumen sollte.
Nur weil die Medien einen bestimmten Typ Beziehungen in den Himmel loben, heißt das nicht, dass das gesunde
Beziehungen sind. Hier werden oft patriarchale Strukturen verklärt, er ist reich und dominant, sie ist jung, naiv und abhängig. Sie wird wieder und wieder gedemütigt, isoliert, manipuliert und
kontrolliert. Es gibt sehr viel bessere Geschichten, um Deine wertvolle Zeit zu verbringen. Und doch, in Hollywood, da werden lieber Liebesdramen erzählt als gute und echte Liebesgeschichten. Das
scheint langweilig zu sein. Liebe wächst, sie ist nicht auf einmal da.
Wenn Du eine Beziehung hast, die mehr Drama hat, als Dir lieb ist, dann bin ich wahrscheinlich eine gute Adresse für Dich. Melde Dich einfach über das Kontaktformular oder schicke mir eine Nachricht.
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Alles Liebe, Sandra Hochhuber
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